Expat - bzw. Third Culture Kids
Third Culture Kids
Als Third Culture Kids (TCKs) oder Drittkulturkinder werden Menschen bezeichnet, die in einer anderen Kultur aufgewachsen sind als ihre Eltern oder während ihrer Kindheit und Jugend oft umgezogen sind und dabei die Kultur gewechselt haben. Dadurch weisen sie besondere Charaktermerkmale und bestimmte Prägungen auf. Bleiben diese Merkmale auch im Erwachsenenalter erhalten, so spricht man von Adult Third Culture Kids (ATCK). (Quelle: Wikipedia)
Expats oder TCKs entwickeln sich anders als Kinder, die klassisch in ihrer Elternkultur aufwachsen.
Es wäre jetzt zu umfangreich alle Unterschiede aufzulisten und zu erklären. Für mich ist nur ein wichtiger Aspekt unbedingt zu erwähnen. Diese Kinder erleiden einen Identitätsverlust und verlieren ihre beziehungsweise haben keine Wurzeln. Sie fühlen sich nirgends richtig zugehörig. Sie entfremden der Kultur ihrer Eltern (wenn diese denn überhaupt dieselbe haben), aber gehören auch nicht voll der momentanen Landeskultur an.
Es gibt natürlich sehr viele unterschiedliche Beispiele hierfür und jedes Beispiel ist anders, doch das Ergebnis ist im Grunde das gleiche Problem.
In meinen Jahren in Brüssel an der europäischen Schule habe ich so viele verschiedene Familien- und Lebenskonstellationen kennengelernt, dass ich nur eins sagen kann, jedes Kind kommt aus einer anderen Situation, lebt anders. Jede Situation ist so verschieden, dass man kaum alle auflisten kann, also zeige ich es an meinem Beispiel aus meinem Leben auf, was vielleicht zum besseren Verständnis beitragen kann.
Unser Expat Leben und die Folgen
Wir sind eine klassische deutsche Familie gewesen, der einzige Unterschied war nur schon, dass wir nie lange am selben Ort gelebt haben. Mein Jüngster ist in Madrid geboren, kurz bevor er ein Jahr wurde sind wir dann nach Deutschland zurückgezogen. Seinen sechsten Geburtstag feierte er dann schon in Brüssel, seitdem hat er nie wieder in Deutschland gelebt. Heute ist er 16 Jahre alt und lebt in Spanien. Er ist ein gutes Beispiel für die Orientierungslosigkeit und den Identitätsverlust, den ich an der europäischen Schule so viel erleben musste.
In der Grundschule merkte er, dass er irgendwie nicht so richtig “Deutsch” war, also fing er an zu erzählen, er wäre Spanier; er kannte diese und ihre Kultur nicht wirklich. Er fühlte nur, dass er anders war also musste er eine andere, ihm fremde Identität haben. Irgendwann mit dem Älterwerden stellte er dann fest, dass das auch nicht richtig war, er auch kein Spanier ist. Er sprach ja nicht einmal Spanisch.Später dann beschwerte er sich, dass alle Schüler sich bei sämtlichen Veranstaltungen nach ihren Sektionen (deutsche, englische, französische usw.) aufstellen müssten und er fragte mich, warum es keine europäische gäbe. Er würde sich gerne in die europäische Reihe stellen.
Er hatte längst die Identität eines Deutschen verloren, denn wenn er in Deutschland war, stellte er fest, dass er anders war als die typischen deutschen Kinder und war absolut orientierungslos, wo er hingehört.
Hier bist du also, zu fremd für zuhause, zu fremd für hier. Nie genug für beides. - Ijeoma Umebinyuo
Eines meiner größten Schwierigkeiten, die kaum ein Kulturangehöriger versteht, ist, dass ich nicht mehr in Deutschland leben kann. Mein Leben, die Länder in denen ich gelebt habe, haben mich verändert, geprägt, ich habe keine Wurzeln mehr. Wenn ich in Deutschland bin, erwartet jeder, dass ich “deutsch” bin, dass ich wie die Deutschen denke und fühle, dass ich gleich oder zumindest ähnlich bin, aber das tue ich nicht. Ich fühle mich in Deutschland inzwischen fremd. Im Ausland weiß jeder, dass ich fremd und anders bin. Da erwartet keiner etwas von mir, was ich nicht bin. Deswegen ist es leichter für mich im Ausland zu leben. Heimatgefühl ist für mich, wenn ich die Menschen um mich herum nicht komplett verstehe. ich erschrecke mich, wenn alle Menschen um mich auf einmal Deutsch sprechen. Der Vorteil meines Lebens ist, dass ich mir aus unterschiedlichen Kulturen die für mich passenden Vorteile ziehen durfte und eine eigene Kultur entwickeln konnte. Aber wer bin ich jetzt? Bin ich Deutsche? Nein, nicht mehr wirklich. Bin ich Spanierin, denn ich lebe in Spanien? Definitiv nicht, denn ich spreche ja noch nicht mal die Sprache perfekt. Bin ich Europäerin? Ist das inzwischen eine Identität? Eine Kultur? Schwer zu sagen.
Ich komme mit dieser unklaren Identität zurecht und bin glücklich wer und wie ich bin und lebe. Auch meine Kinder genießen inzwischen dieses Undefinitive, aber viele Expatkinder sind noch nicht an diesem Punkt und brauchen eine besondere Unterstützung mit viel Liebe und Verständnis.